Falco
- Das Mysterium schlägt zurück!
(BASTA
1990)
November ‘88: Falco am Boden - die letzte
LP für ihn ein Flop, die Ehe zerbricht, erst innere Emigration, dann
Abbruch aller Zelte in Europa, Flucht rund um den Erdball. April ‘90: Falco
an der Startlinie - austrainiert, back in town, die neue LP eben in London
abgemischt. Hans Hölzel, 33, bringt "Data de Groove", digitalisierte
Einheiten der Bestform (frei übersetzt, wörtlich zu nehmen).
Eineinhalb Jahre Einzelhaft - jetzt geht er frei. Für BASTA bricht
er die Blockade: Das erste große Interview nach Scheidung, Weltreise,
Knochenarbeit und Askese. Offen wie nie: das Mysterium schlägt zurück.
Interview: Angelika Hager,
Dieter Chmelar.
Die Achtziger waren seine Achterbahn. Er
war die Company der "Hallucination", er war Baß erstaunt bei Drahdiwaberl.
Nicht zuletzt darüber, daß der einzige Hit der Gruppe - "Ganz
Wien" - aus seiner Feder stammte. Falco dachte sich nicht "da läuft
was falsch", sondern "da läuft was richtig - bloß am falschen
Platz". Er wird Solokämpfer, geht mit Brillantine und dunklen Brillen
an die Front. Sein "Kommissar" dreht sich 6,3 millionenmal um. Mit 24 Jahren
und einer Lederjacke ist er Dollarmillionär. Er müßte nie
wieder etwas tun. Aber der Valentino aus Wien wird nach dem coolen "One-Night-Stand"
zum Latino Lover - "Junge Römer", heute erst Nationalhymne, damals
bloß Vision. Falco floppt.
1984 prescht er mit dem Triebtäter-Chanson
"Jeanny" zunächst in die deutschen TV-Nachrichten, dann in alle Charts.
1986 der dritte Millionen-Seller, als erster Mann deutscher Zunge Nummer
1 in den Staaten: Falco als "Amadeus" ex machina. Im selben Jahr wird er
Vater, Katharina Bianca ist heute vier. Mit "Emotional" (1987) bringt er
Gefühl auf Vinyl. Falco heiratet in Las Vegas mit Kreditkarte (1988)
und steuert als Irrlicht ins Disneyland der Yellow Press. Es kam auch zu
Fotos im Sandkasten. "Der Tiefpunkt meines Lebens" diagnostiziert er heute.
Er fährt wohl zum Service nach Gars (Willy D?ngl), aber er braucht
einen Liter Whiskey auf 100 Kilometer. Es kommt zur "Wiener Blut"-Abnahme.
Eine Tournee platzt. Es ist fünf Minuten vor zwölf- jetzt schlägt
die Stunde Null. Er reißt sich los. Viereinhalb Monate weiß
niemand, wo er ist, Falcos Mysterienspiel. Trennung (von Isabella, der
Mutter seines Kindes), mentale Entsorgung, körperlicher Kult, künstlerische
Offensive. Ein Mann macht klar.
BASTA:
Mußt Du mit der neuen LP noch irgendwas beweisen?
Falco: Ich glaube, ich hab’
meine Hausaufgaben gemacht. Jetzt spüre ich überall die Stimmung:
Falco is back in town! Ob ich dem traue? Ich habe mich noch nicht entschieden.
BASTA: Warum hat man so lange
nichts gehört und gesehen?
Falco: Ich bin eher scheu.
Bei einem Künstler ist oft das entscheidend, was man nicht
sieht.
BASTA: Was hats Du für
Fehler gemacht?
Falco: Für einen Popstar
gibt es zwei Möglichkeiten im Business: Entweder "obiputzen" (???
Das ist das, was ich lese. Keine Ahnung, was es wirklich ist! Bedeutung
anscheinend: "being leader of the gang". Irgendwelche Vorschläge?)
oder "Faserschmeichler." Und Faserschmeichler war ich nie. Ich war seinerzeit
erschlagen durch den "Kommissar"-Erfolg. Für das, was ich gegeben
hatte, schien ich unverhältnismäßig geliebt zu werden.
Ein Fehler war zweifellos - trotz Amadeus - die Zusammenarbeit mit den
Bollands. Ein Charismatiker vergibt keine Auftragsarbeiten. Ich hab’ gemerkt,
daß sich der Schmäh aus Wien nicht in bolländisches High-tech
übersetzen ließ. Es war die falsche Richtung. Genauso "Emotional".
Falco ist nicht "emotional", sondern die Fans müssen "emotional" auf
ihn werden.
BASTA: Was ist der neue Falco?
Was bringt uns "Data de Groove"?
Falco: Ich bin der erste
weiße Schwarze. Mit der neuen LP kann ich mir zum erstanmal leisten,
was ich wirklich will. Der neue Sound ist wie die Innenarchitektur und
die Mode der "post eighties" - anything goes. Kräftige Naturinformation
in Synthese mit allem, was ein Studio hergibt. Sicher meine authentischste
Platte.
BASTA: Was ist die Message?
Falco: Was ich singe, muß
nichts heißen, weil ich nie etwas sagen wollte. "Data de Groove"
ist der Nachweis meiner offenen Potentiale.
BASTA: Was wird als Single
ausgekoppelt?
Falco: Ich hab’ noch keine
Ahnung. Ich hatte nie eine glückliche Hand bei der Auswahl von Singles.
BASTA: Welche Titel, welche
Inhalte?
Falco: Der "Pusher" - ein
Orientierungsfeuer für Großstadtindianer. "Charisma Kommando"
- ein erotisches Lied. Oder: "Tania P. beats Ciny C." - eine Verbeugung
vor der unfaßbaren Schönheit des Fotomodells Tatiana Patitz.
Ich finde sie einfach besser als Cindy Crawford.
BASTA: Du arbeitest wieder
mit Deinem besten Feind Robert Ponger?
Falco: Kennst an Besseren?
Wir waren Partner beim "Kommissar". Jetzt hat sich unter neuen Vorzeichen
eine innige Freundschaft entwickelt.
BASTA: Hast Du wirklich 150
Millionen?
Falco: Frein nach Goethe:
Ein gesunder Mann ohne Geld ist halb krank. Ich versteuere ordnungsgemäß
in Österreich. Hier sind meine roots, da bin ich sentimental. Ich
wohne Hauptmiete und habe mein Hietzinger Penthouse an einen orientalischen
Potentaten vermietet. In Gars am Kamp restauriere ich gerade meine Gründerzeit-Villa.
Und ich fahre in einer unauffälligen deutschen Limousine. Schwarz.
BASTA: Gibt es ein neues
Image, ein neues Styling?
Falco: Ich bin für
keinen Wahn die Gallionsfigur. Okay - ich kümmere mich um meinen Körper,
aber ich tue alles, was mir Spaß macht - in Dosen, die mich nicht
umhauen. Allzu clean glaubt mir eh keiner.Ich geh’ eher weg vom straighten
tuxedo (Anm.: Abendgarderobe) und lebe wieder mehr outdoor. Lederjacke,
aber kein Jogginganzug.
BASTA: Wo kaufst Du ein?
Falco: Ich lasse einkaufen.
Wenn ich von guter Kleidung höre, schicke ich eine liebe Bekannte
mit der Polaroid-Kamera los. Und nach den Bildern bestell’ ich dann. Ich
habe es satt, für Gästebücher zu posieren.
BASTA: Wie schaut ein Falco-Tag
aus?
Falco: 13 Uhr: Erwachen.
Dann die weltlichen Dinge. Um ?? Uhr (sorry, Fleck auf dem Original!) bin
ich im Fitness-Studio - es ist kein englischer Club, aber auch nicht das
Laaerberg-Bad. Dreimal die Woche laufe ich 12 Kilometer. Ab 20 Uhr arbeite
ich. Meine Freizeit: von null bis sechs Uhr früh.
BASTA: Gibt es ein reges
Sexualleben?
Falco: Sagen wir, es findet
statt. Ich lebe à la carte. Aber nicht öffentlich. Ich will
nie mehr von der Yellow Press zum Nömmix (?) gemacht werden.
BASTA: Kannst Du Dir vorstellen,
noch einmal zu heiraten?
Falco: Laß es mich
so sagen: Es würde sehr helfen, wenn sie mindestens genausoviel Geld
hätte wie ich.
BASTA: Was ist Dein erotisches
Wunschprogramm?
Falco: Also derzeit ist
Michelle Pfeiffer genau mei Alte. Die Wienerinnen haben so eine eigene
Art der Taxierung: "Er glaubt, weil er Er is, is er wer." Die schönsten
Frauen Österreichs sind in der Steiermark.
BASTA: Du bist ja hin und
wieder in Graz.
Falco: Ich habe ein einwandfreies,
cooles Verhältnis zu meiner Ex-frau Isabella. Und meine Tochter liebe
ich. Heute weiß ich: Ich könnte mich nicht überlisten,
nicht über meinen Schatten springen. Die Entmystifizierung von Falco
zur Familie war zum Scheitern verurteilt. Jetzt habe ich viel Spaß
mit den Frauen und genieße die Nebenkriegsschauplätze.
BASTA: Wie viele verschiedene
Falcos gab es in den 80ern?
Falco: ’80 bis ’82. Goschert,
provokant, unangepaßt. Ab ’82 in die Mühlen des Erfolgs, seelisch
aus der Balance. Das Medienereignis. Ab ’88 die Säuberung. Allgemeine
Konfusion im Hirn. Unwohlsein. Ich hab’ erkannt, auf wieviel Lebensqualität
ich verzichtet hatte.
BASTA: Was sind Deine Statussymbole?
Falco: Weißgold statt
Gelbgold. Und ich lasse mich nicht mehr von Spannteppichen und Springbrunnen
in Hotels auf Teneriffa beeindrucken. Was vorbei ist, ist vorbei. Ich fahr’
lieber auf eine griechische Insel - auf mein "Ibiza für Arme". Dort
geb’ ich 20.000 Schilling in drei Wochen aus.
BASTA: Bist Du geizig?
Falco: Sagen wir: vorsichtig.
BASTA: Schlechte Erfahrungen
mit guten alten Freunden?
Falco: Es gibt keinen Kontakt
mehr zu den Parteien von damals. Als ich erfolgreich wurde, kamen sie noch
einmal und borgten sich Geld aus. Sie haben’s auch bekommen. Aber net lang.
In Wien kann Dir nichts Schlimmeres passieren, als ein netter Bursch zu
sein. Ich bin lieber das Arschloch.
BASTA: Hast Du überhaupt
Freunde?
Falco: Die Heranrobbenden
habe ich eliminiert. Es gibt einen verlesenen Kader: Billy Filanowsky,
Golfspieler; Karl Fuss, Kunstexperte; Hans Mahr, mein Österreichberater;
Horst Bork, mein Generalmanager. Und in letzter Zeit mehr und mehr Mädchen.
Auch als Freunde.
BASTA: Bist Du Außenseiter
im Austropop?
Falco: Ich unterhalte mich
lieber mit Menschen des Wortes als Meschen des Biers. Es herrscht ein respektvoller
Abstand zur Kollegenschaft. Und so ist es gut.
BASTA: Bei "Austria for Africa"
hast Du Dich ja auch ausgeklinkt.
Falco: Das schien mir weniger
Afrikahilfe als Eigenpromo der Mitwirkenden. Daß ich Karlheinz Böhm
damals einen Scheck über 25.000 Schilling überreicht habe, war
nirgends zu lesen. Wahres Helfen ist oft leise.
BASTA: Wie wird Falco alt?
Mit 50 noch auf der Bühne?
Falco: Warum nicht? Auch
Popstars werden älter - die Frage ist nur: wie. Und das ist ein Full-time-Job.
Ich habe zehn Jahre gebraucht, in dem Beruf hineinzuschnuppern. Und mit
27 habe ich geglaubt, alles hinter mir zu haben. Mit 33 weiß ich,
daß ich alles vor mir habe.
Basta magazin,
Mai 1990?
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